Was ist Demenzdiagnostik?

In meiner Sprechstunde begegnen mir immer häufiger ältere Patienten, die selbst oder deren besorgte Familienangehörige wissen wollen, ob ihre Gedächtnisschwäche und Merkstörungen bereits Zeichen von „Alzheimer“ sind. In Deutschland leben inzwischen mehr als 1 Million Demenzkranke. Von einer Demenz sind über 8% der über 65 Jährigen und jeder Dritte über 90 Jahre betroffen.

 

Die Begriffe Demenz und Alzheimer-Krankheit werden oft gleichbedeutend verwendet. Der Begriff „Demenz“ bezieht sich aber eigentlich nur auf das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Krankheitszeichen mit dem Kernsymptom Gedächtnisstörung, das zu über 60 % auf einer Alzheimer-Krankheit beruht. Die Alzheimer-Krankheit selbst, ist eine von mehreren Krankheiten, die eine Demenz auslösen können. Die eigentliche Alzheimer-Krankheit ist eine besondere Form einer Nervenkrankheit, die mit einem langjährigen unauffälligen Verlauf und einer dann schleichend beginnenden Demenz einhergeht.

 

Eine weitere häufige Ursache, mit 15% der Fälle von Demenz, sind Durchblutungsstörungen des Gehirns. Hier spricht man von einer vaskulären Demenz, die von der Alzheimer Krankheit abzugrenzen ist. In weiteren 15% treten Mischformen von vaskulärer Demenz und Alzheimer Krankheit auf.

 

Es gibt auch noch weitere Demenzformen, die durch andere Erkrankungen bedingt sind wie z.B. durch Parkinsonkrankheit, Multiple Sklerose, Schilddrüsenunterfunktion, AIDS und viele mehr.

 

Charakteristisch für die klassische Alzheimer-Krankheit ist eine zunehmende Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit, die in der Regel mit einer Abnahme der täglichen Aktivitäten, mit Verhaltensauffälligkeiten und zu Beginn mit leichten Beeinträchtigungen beim Sprachverständnis, der persönlichen Zieleverfolgung und Befindlichkeitsstörungen wie z.B. Depression und Teilnahmslosigkeit einhergeht. Bereits viele Jahre bevor erste Krankheitszeichen auffallen, bilden sich im Gehirn des Betroffenen Ablagerungen, die aus fehlerhaft gefalteten Eiweißteilchen bestehen. Zusammen mit diesen Ablagerungen ist die Erkrankung gekennzeichnet durch Knäuel von Nervenfasern, die man unter dem Mikroskop im Hirngewebe der Erkrankten erkennen kann. Diese mikroskopische Untersuchung ist aber erst nach dem Tod des Patienten möglich. Mit neuartigen Kernspin-Untersuchungen (MRT) und deren automatisierter Analyse lassen sich die alzheimertypischen Hirnveränderungen schon vor den ersten Demenzzeichen erkennen. Diese besonderen Kernspin-Geräte stehen jedoch bislang nicht flächendeckend zur Verfügung.

 

Sieben Warnzeichen können auf eine beginnende Alzheimer Krankheit hinweisen und Anlass sein, ärztlichen Rat einzuholen:

 

Der Betroffene…

 

  1. … wiederholt immer wieder die gleichen Fragen.
  2. … erzählt immer wieder die gleichen Geschichten.
  3. … weiß nicht mehr, wie bestimmte alltägliche Verrichtungen wie Kochen, Kaffeemaschine, Fernsehen etc. funktionieren.
  4. … verliert den sicheren Umgang mit Geld, Überweisungen und Rechnungen.
  5. … verlegt immer wieder viele Gegenstände (unabsichtliches Verstecken) und verdächtigt andere Personen, den vermissten Gegenstand weggenommen zu haben.
  6. … vernachlässigt anhaltend sein äußeres Erscheinungsbild, bestreitet dies aber.
  7. … antwortet auf Fragen, indem er die ihm gestellte Fragen wiederholt.

 

Frühe Kernsymptome einer Demenz sind durch einfache Tests wie Mini-Mental-Status-Test, Uhrenzeichentest und DemTect© in der Praxis erfassbar. Diese Tests bieten wir auch in unserer Praxis an. Die Kosten werden von der Krankenkasse voll übernommen. Es ist sinnvoll eine Alzheimer-Krankheit vor dem Auftreten von Demenzzeichen zu erkennen, denn nur dann können alle Möglichkeiten genutzt werden, um ein Fortscheiten zur Demenz zu verzögern. Dem Ausbruch einer Alzheimer-Demenz geht ein jahrelanges Stadium der leichten geistigen Beeinträchtigung voraus. Weitere Auffälligkeiten können depressive Symptome und Geruchserkennungsstörungen sein.

 

Bemerken Patienten oder deren Angehörige Leistungsminderungen des Gedächtnisses, können diese in den obengenannten Tests festgestellt und gemessen werden.

 

Praktisches Vorgehen

 

In der hausärztlichen Praxis hat sich ein zweistufiges Vorgehen in der Diagnostik eines Demenzsyndroms bewährt:

  1.  Zunächst ist zu prüfen, ob ein dementielles Syndrom vorliegt.
  2.  In einem zweiten Schritt wird die Ursache eingegrenzt.

 

Mini-Mental-Status (MMS)

Der MMS prüft verschiedene geistige Leistungen und nimmt circa 10 bis 15 Minuten in Anspruch. Der MMS enthält eine Erinnerungsliste von drei Wörtern. Er ist weit verbreitet für die Schweregradeinteilung einer Demenz vom Alzheimer-Typ. Der Test reicht im hausärztlichen Bereich zumeist zum Ausschluss einer Demenz aus.

 

DemTect©

Der DemTect© beinhaltet mit zehn Wörtern eine längere Erinnerungsliste als der MMS und vermeidet direkte Fragen zu Ort und Zeit. Seine Durchführung dauert meist 8 bis 12 Minuten. Der Test kann eine leichte geistige Beeinträchtigung in 85% und eine Alzheimer-Demenz in 83 % der Fälle erkennen. Er hat sich in Deutschland bewährt.

 

Uhrentest

Der Uhrenzeichentest wird häufig als zusätzliches Instrument bei Verdacht auf eine Alzheimer-Krankheit eingesetzt. Beim Uhrenzeichnen wird der Testperson eine Uhrzeit genannt. Sie sollte nun diese Zeit auf einem Zifferblatt mit einem großen und kleinen Zeiger und zwölf Ziffern darstellen. Die Testperson muss also die Worte und die Uhrzeit verstehen, zwölf Zahlen richtig anordnen und die Zeiger (groß und klein) im korrekten Winkel einsetzen. Es werden Fähigkeiten überprüft wie das Wortbedeutungs-Gedächtnis, die Raumwahrnehmung, die Fähigkeit Formen zu sehen, zu erkennen und zeichnerisch darstellen. Fällt der Test krankhaft aus liegt in circa 85 % eine Demenz vor. Fällt der Test gesund aus liegt zu circa 70 % keine Demenz vor.

 

Depressionsanamnese

Es konnte außerdem anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt werden, dass Menschen mit Depressionen ein circa doppelt erhöhtes Risiko haben, später eine Demenz zu entwickeln. Zur Aufdeckung einer Depression halten wir in unserer Praxis einen weiteren speziellen Test vor.

 

Erweiterte Diagnostik

Sollte sich in den vorbeschriebenen Tests der Verdacht auf eine Demenz erhärten, steht noch weiterführende Diagnostik in Facharztpraxen zur Verfügung wie z.B. Geruchstestungen, Kernspin (MRT) oder Gehirn-wasseruntersuchungen (Liquordiagnostik) .

 

Ausblick

Die Alzheimer-Krankheit hat einen jahrelangen Verlauf, bevor eine Demenz auftritt. Im Stadium der leichten geistigen Beeinträchtigung ist durch Fortschritte in der Frühdiagnostik die Möglichkeit gegeben, von einer Alzheimer-Krankheit ohne vollausgeprägte Demenz zu sprechen. Diese frühe Diagnostik birgt insofern ein ethisches Dilemma, als keine gesicherte Therapie für dieses Krankheitsstadium vorhanden ist. Man weiß also schon frühzeitig, dass man an Alzheimer erkrankt ist und die Erkrankung höchstwahrscheinlich fortschreiten wird, kann aber den Verlauf nur insofern verlangsamen, dass man eine vollstationäre Heimpflege um circa 6 Monate hinauszögern kann.

 

Dennoch sind die Tests wichtig und unverzichtbar, denn sie helfen die Verdachtsdiagnose Alzheimer-Krankheit und/oder Demenz zu sichern und von anderen sehr wohl behandelbaren Krankheiten wie z.B. einer Depression abzugrenzen. Die Tests und die Diagnosesicherung sind auch deshalb wichtig, weil sie den Familienangehörigen, dem Pflegepersonal und Ärzten Handlungssicherheit geben. Die exakte Diagnose hilft, die Verhaltensauffälligkeiten des Patienten richtig einzuordnen und krankheitsgerecht darauf angemessen zu reagieren, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.

Quellen:

  • Eschweiler, Gerhard W.; Leyhe, Thomas; Klöppel, Stefan; Hüll, Michael: Neue Entwicklungen in der Demenzdiagnostik, Dtsch Arztebl Int 2010; 107(39): 677-83

 

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